Tohuwabohu
Kubistisches Klötzchenspiel am Potsdamer Platz.
Kubistisches Klötzchenspiel am Potsdamer Platz.
„Faces of Berlin“ heißt die Installation des Videovirtuosen Bartosz Navarra am Potsdamer Platz. Auf eine riesige Maske des Bildhauers Erik Tannhäuser vor dem Kollhoff-Tower er am Potsdamer Platz Porträts von Passanten, die sich vorher in seinem temporären Studio in den Arkaden haben ablichten lassen.
Stundenlang mit den Beißerchen malträtierte und ihrer letzten Aromen beraubte Kaugummis gehören – eingewickelt in Papier- in den Mülleimer. Oder – in noch warmen, feuchten und weichen Aggregatzustand – an die Mauer. Am Potsdamer Platz kleben Wiederkäuer und Bubble-Bläser von allen fünf Kontinenten ihre ausgelaugten Doublemint-, Tutti-Frutti- und Strawberry-Massen an ein Segment des einstigen antiimperialistischen Schutzwalls, das hier an den früheren Grenzverlauf erinnern soll. Eine ziemlich eklige Methode des Mauergedenkens. Aber eine irgendwie auch faszinierende Art, seine genetischen Spuren in Berlin zu hinterlassen – und auf jeden Fall witziger als die sonst üblichen „Mandy was here“-Gekritzel.
Gewinnend lachen kann er, der Charmeur aus L.A.! Schwungvoll und ausdauernd Autogramme schreiben ohne Frage auch. Dazu nämlich legte Johnny Depp auf dem Weg über den roten Teppich zur Premiere von „The Tourist“‚ im Sony-Center viele Zwischenstopps ein. Der Film verwöhnt die Cineasten mit traumhaften Bildern aus Venedig und schönen Schauspielern – die Handlung des Streifen ist aber leider – in bester Hollywood-Tradition – so flach wie die ostfriesischen Salzwiesen. Für Johnny hat sich die Exkursion nach Berlin – glaube ich – dennoch gelohnt. Und für Lorena – der ich dieses Foto verdanke – der Ausflug an den Potsdamer Platz auch.
Sie wächst, dehnt sich aus, glänzt verführerisch, animiert zum Mitmachen. Aber irgendwann kommt der Moment, denn jeder Börsenjongleur, jeder Tagträumer, jeder Boulevardjournalist fürchtet wie der Teufel das Weihwasser: wenn die trügerischen Illusionen sich in Luft auflösen, die schmierigen Spekulationen nur ein paar Flecken auf dem Boden hinterlassen, wenn sie platzt, die riesige Blase. Am Potsdamer Platz dagegen hatten am Sonntag die Menschen viel Spaß dabei, die hauchdünnen Seifenlaugen-Membrane im lauwarmen Novemberwind fliegen und explodieren zu sehen.